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 Der Festplatz

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AutorNachricht
Tenjin
Admin
Tenjin


Titel : The White Wizard
Herkunft : Nazlóre, Königreich Platina
Alter : 1173 Jahre
Rasse : Mensch
Beruf : Meistermagier des Weißen Ordens
Ort : Das Gebirge von Kyrilvár, Wald am Berghang
Link : Charakterbogen

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BeitragThema: Der Festplatz   Der Festplatz EmptyMo Aug 23, 2010 8:11 pm

Der Festplatz befindet sich im Stadtzentrum und ist eigentlich nichts weiter als eine große Wiese, deren Gras stets kurz gehalten wird. Im Gegensatz zum Rest der Stadt gibt es hier kein Kopfsteinpflaster, damit Zelte, Buden und z.B. der Maibaum aufgestellt und verankert werden können. Rund um den Platz befinden sich eine Vielzahl von Brunnen und Tiertränken und das öffentliche Badehaus ist nicht weit entfernt.


Zuletzt von Tenjin am Mi Aug 25, 2010 5:47 pm bearbeitet; insgesamt 2-mal bearbeitet
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BeitragThema: Re: Der Festplatz   Der Festplatz EmptyMo Aug 23, 2010 8:44 pm

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Das Leben war schwer – im wahrsten Sinne des Wortes.
Mit leisem Ächzen versuchte Nehelenia, den Berg von Brettern möglichst ohne Verletzungen und zertrümmerte Holzplanken auf den Ziehwagen zu hieven. Dabei stemmte sie ihre Arme mit all ihrer Kraft nach oben, doch sie hatte sich wohl zu viel zugemutet und stand nun da – wohin mit den ganzen Brettern? Ein genervter Seufzer entfuhr Nehelenia, dann gab sie auf und kippte die Last auf ihren Armen zur Seite, so dass die Bretter mit einigem Krachen gegen den Ziehwagen knallten. Zwei Planken rutschten hierbei weg und fielen mit noch lauteren Scheppern um und auf den Boden.
Natürlich. Sie hatte es kommen sehen...Nehelenia bückte sich, um die Planken wieder aufzustellen, hielt dann jedoch mitten in der Bewegung inne. Es war wohl am Besten, wenn sie sich ersteinmal etwas anderes anzog. Sie trug immer noch ihr Farbtänzerinnenkostüm, das mehr zeigte als verbarg, und ganz sicherlich nicht für solcherlei Arbeit konzipiert war. Ein Wunder eigentlich, dass sie es überhaupt trug – sonst zog Nehelenia ihr Kostüm immer erst aus, und wählte für die Aufräumarbeiten bequemere Sachen, doch heute...war sie irgendwie durch den Wind. Die junge Zirkustänzerin wusste selbst nicht genau, was mit ihr los war. Unkoordiniert und leicht desorientiert hatte sie schon Teile von A nach B geschleppt, ohne nachzudenken – dass sie dabei an einem völlig falschen Ort gelandet waren, fiel ihr erst nun, im Nachhinein, auf.
Ob sie so...daneben war, weil Mutter vorhin wieder eine ihrer Phasen gehabt hatte? Die alte Madame May war krank – wie viele sagten, altersschwach – doch das wollte sie sich nicht eingestehen. Nehelenia wartete nur noch auf den Ort, in dem es ein Heilmittel für sie gab. Aus diesem Grunde trieb sie ihre Zirkusleute auch zum Aufbruch an. Sie wollte möglichst schnell fort von hier, auch wenn diese Stadt – Wyrmhausen – eine sehr nette Stadt war. Die Einwohner wirkten zufrieden. Sie waren weder besonders reich noch besonders arm, aber sie lebten recht glücklich und locker. Der Zirkus war freundlich aufgenommen worden – wie immer eigentlich – und hatte auch einige sehr nützliche Spenden erhalten. Nur war leider keine Arznei gegen die Krankheit ihrer Mutter darunter gewesen.
Nachdenklich machte sie sich also zu ihrem Wohnwagen auf, öffnete die Tür und schloss sie gar nicht erst. Ihr war es momentan egal, dass jemand einfach den Kopf zur Tür hereinstrecken konnte und sie dann wohl nackt sehen würde – soviel gab es da eigentlich nicht mehr zu entdecken, wer wollte, konnte ihren Körper zur Genüge bei der Aufführung betrachten – Nehelenia wollte sich jetzt einfach nur etwas überwerfen. Ohne direkt zu wissen, was sie anziehen wollte, kramte sie in einer kleinen Holztruhe, die voll mit verschiedenen Sachen war. Schließlich geriet ihr ein zinnoberrotes, kurzes Sommerkleid in die Hände. Da Nehelenia keine Lust hatte, weiter zu suchen, schlüpfte sie kurzerhand hinein. Wenigstens würde sie beim Aufräumen kein langer Saum stören...

Energisch klappte die Zirkusleiterin schließlich die Truhe zu, nachdem sie ihr Kleid ein wenig zurecht gezupft hatte. Sie sprang behände von der obersten Stufe ihres fahrenden Wohndomizils. Obwohl sie eben gut und gerne 20 Minuten wilde, mantrische Tänze vorgeführt hatte, existierte in ihr immer noch genügend Energie, um solche Spinnereien zu machen. An diesem Punkt musste Nehelenia unwillkürlich lächeln. „Du bist ein großgewordenes Kind“, hatten ihr diverse ältere Zirkusmitglieder schon gesagt. Es stimmte...
Kopfschüttelnd versuchte sie sich erneut an den Brettern. Dieses Mal ging Nehelenia die Sache geschickter an und nahm nur einzelne Bretter. Doch trotzallem, ihre Arme schmerzten ziemlich, nach all der Stemmarbeit. Sie besaß zwar eine überdurchschnittliche Konstitution, doch Körperstärke war keine besonders hervorhebenswerte Eigenschaft von ihr...mit leisem Knurren und verzogenem Gesicht schmiss sie eine Planke auf den Stapel, dann rieb sie sich die verkrampften Muskeln.
Noch 8 Bretter...
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BeitragThema: Re: Der Festplatz   Der Festplatz EmptyDi Aug 24, 2010 6:33 pm

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Hey, Hey, die Hex ist tot
die Hex ist tot
sie frisst kein Brot
Hey, hey, die Hex ist tot

Seit Tagen war langen diese Zeilen bereits in seinem Kopf. Verdammt noch einmal, konnte man die nicht einfach loswerden? Irgendwie? Immer und immer wieder musste er die selbe, absolut dämliche Melodie pfeifen. Es war ein Ohrwurm. Ein verdammt penetranter Ohrwurm. Und dabei hatte er doch inzwischen alles ihm mögliche versucht, diesen los zu werden. Da waren zum Beispiel die Volkslieder, die er mit den anderen am Lagerfeuer gesungen hatte. Die waren eigentlich schon immer die besten Vertreiber von Ohrwürmern gewesen, die man sich vorstellen konnte. Allein die Ausschmückung mancher Zeilen. Wer schon ein einfaches
Hedihehodidadidadidum
als einen Refrain gelten lies, der war wohl verrückt. Was auf so ziemlich jeden Dichter von Volksliedern hinwies. Wahnsinniges Pack, sie alle. Aber ihre Lieder waren lustig, nachdenklich, melancholisch. Sie erzählten Geschichten oder einfach nur Banalitäten, die von der grausamen Realität ablenkten. Und das war schon immer das Hauptziel von Volksliedern gewesen.
Dann die Kinderlieder. Deren Melodie war meist noch penetranter als die aller Volkslieder zusammen, ein fröhliches daherhoppsen von Tönen.Fröhlich, sorglos. So wie Kinder eben waren. Aber dabei sollte man sich doch nicht lumpen lassen. Kinderlieder konnten die brutalsten von allen sein. Was unter einer netten, freundlichen Melodie verborgen lag, war zumeist nur kalt und grausam. Das fing bei dem Lied vom Schneider, der eine Maus fing, sie Häutete und aus ihrem Fell einen Feldbeutel nähte. Das ging weiter über die Waldtiere, die etwas gegen das Zebra hatten und es am liebsten tot sehen würden, bis hin zu all den Liedern über den großen bösen Wolf. Und an dieser Stelle seiner Gedanken konnte er ein ein sanftes Grinsen schlechtweg nicht unterdrücken.
Wie oft hatte er den Kindern vom bösen Wolf erzählen müssen. Wie oft er von ihm hatte singen müssen. Egal um welche Generation von Zirkuskindern es ging. Sie alle wollten diese Geschichten hören. Wollten sich gruseln und Angst haben und zugleich sicher sein, dass dies nur Geschichten waren, die der Alte Musiker dort erzählte. Hah, Alt. Von wegen. Lucien strich sich das dunkle Haar aus dem Gesicht und packte die nächste Planke auf den richtigen Wagen. Er sah noch gar nicht so alt aus.
Nunja, für sein Alter zumindest. Manch ein anderer lag mit über 200 Jahren bestimmt schon lange vermost unter der Erde. Wahrscheinlich waren nur noch Knochen übrig. Und nein, es tat ihm nicht leid,so zu denken, obwohl auch seine Geliebte Lia dazu gehörte, gemeinsam mir ihren Söhnen. Über diese Phase war er schon lange hinaus. Er hatte sich damit abgefunden, seitdem er sein eigenes Schicksal akzeptiert hatte. Es hatte lange gedauert. Viel zu lange, für seinen Geschmack. Aber schließlich war es doch noch so weit gekommen, und er war stolz auf sich, dass er es dazu gebracht hatte. Andere kamen nicht damit zurecht, was sie waren. Dies waren die waren, großen bösen Wölfe. Und er? Nun, ihn hatte man gezähmt, könnte manch einer sagen. Er war ein Haushündchen gewesen, sagten andere. Nun, vielleicht stimmte das ja. Vielleicht war er nicht mehr fies und gemein, vielleicht fraß er nun anderen aus der Hand. Was machte das schon? Er war zufrieden mit diesem Leben, das er jetzt lebte. Mit der Musik, die ihn jede Nacht aufs neue einfing, seine Ohrn liebkoste und ihn aus der grausamen Welt der Wölfe zu holen vermochte.

Die letzte von seinen Planken wurde auf dem Wagen befestigt. Die anderen hatten bereits die Plane des Zeltes zu ihm geschleppt, die ebenfalls als Abschluss auf den Wagen gehörte. Als krönender Abschluss sozusagen. Eine riesige Menge an Stoff, fein säuberlich zusammen gerollt und zu einem riesigem Päckchen verschnürt.

„He, Ho, die Hex ist tot“

Er schleifte das Stoffpaket ganz an den Wagen heran, und machte pfiff ein paar der jungen Artisten und Mitarbeiter an seine Seite. So ein bisschen Stoff war nicht sonderlich leicht, und selbst er als Werwolf hatte es bisher nur unter gewissen Kraftanstrengungen geschafft das unförmige Ding auf den Wagen heben zu können. Sobald es zurecht gerückt war, verschwanden die Helfer wieder, um anderen Zirkusleuten zur Hand zu gehen oder sich selbst für den baldigen Aufbruch fertig zu machen. Lucien verschnürte noch den Kram auf „seinen“ Wagen sicher. Schließlich streckte er sich und sah sich um. Beinahe alles war bereits zusammen gepackt, nur wenig Zeit dürfte noch bleiben, bis sie aufbrechen konnten.
Da fiel sein Blick auf eine einzelne Gestalt, die noch damit beschäftigt war, die Planken auf einen der Wägen zu verladen. Nanu, was machte denn der Farbrausch dort ganz allein? Soweit er informiert war, war die Kleine nicht wirklich für ihre Stärke bekannt, was man auch an der Art sah, wie die die Planken einzeln auf den Wagen wuchtete. Der Mann sprang von seinem Wagen und eilte zu ihr hinüber, als sie nach dem nächtem Brett griff.

„Nana, heb dir mal keinen Bruch“

meinte er, während er ihr das Brett aus den Händen nahm, selbst noch zwei dazu packte und mit seiner Last zum Wagen ging, um sie dort abzuladen. Gemeinsam mit Nehelenia waren auch diese Bretter schnell verladen.

„Wie kommt es, dass ausgerechnet du hier am schleppen bist?“

Der Wolf kletterte auf den Wagen, um auch hier die Bretter ordentlich zu befestigen, damit sie auf der Fahrt zum nächsten Lagerplatz nicht herum kullerten oder gar aus dem Wagen fielen. Als das letzte Seil auch hier befestigt war sah er von seiner Arbeit auf und studierte Nehelanias Gesicht mit seinen Raubtieraugen. Obwohl er die Worte nicht aussprach, war ganz deutlich die Frage „Ist alles in Ordnung bei dir?“ in sein Gesicht geschrieben.
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BeitragThema: Re: Der Festplatz   Der Festplatz EmptySa Sep 04, 2010 3:57 pm

(Einstiegpost)

Ein wundervoller Tag! Kein Regen, kein Sturm - einfach nur das pure Genießen. Vielleicht sollte man den Konjunktiv verwenden. Es wäre ein wundervoller Tag voller Genießen, wenn die Arbeit nicht wäre. Wenn man nicht schuften müsste, um diesen Ort wieder zu verlassen. Schade eigentlich. Denn den Zirkusleuten schien es in Wyrmhausen wirklich zu gefallen. Coppelius zumindest gefiel es hier. Die Leute waren alle vollkommen in Ordnung. Vielleicht ein bisschen zu normal. Er mochte die Verrückten, leicht Durchgeknallten und schwer zu Verstehenden. So wie er einer war. Wenn er auf dem Dach seines Wagens hockte, den Zylinder schief auf dem Kopf und ein breites Grinsen auf den Lippen - dann machte er tatsächlich den Eindruck, selbst ein wenig abnormal zu sein. Was durchaus zutraf. Aber wie hieß es so schön? Von außen konnte man die Würmer im Holz nur anhand der Löcher erkennen. Wobei - als ob man an den Löchern eines Mannes seinen Wahnsinn erkennen könnte. Nicht jeder Psychopath hatte schließlich noch ein Loch im Bauch oder ein drittes Ohrloch oder etwas in der Art. Wäre auch irgendwie eklig, oder?
Zurück zum Thema. Schöner Tag. Ja, abgesehen von dem Abbau des Zirkus. Coppelius hatte seine Pflicht bereits erfüllt. Er hatte fleißig geholfen einzelne Dinge zu verladen, hatte mechanische Hilfe geleistet und bereits davor seinen Wagen aufgeräumt. Manchmal hatte er spontane Anfälle von Hilfsbereitschaft und Ordnungswillen. Kam nicht oft vor. Wenn es denn aber mal der Fall war, dann gab er sich diesem Drang einfach nach. Wieso sich auch dagegen wehren? Den anderen zu helfen war ja nichts Schlimmes und in Ordnung lebte er ohnehin gern. Die Tasche, die ihm locker um die Schultern hing, war penibel aufgeräumt. Jedes Werkzeug hatte seinen Platz, jedes Stück Papier war sauber in der Mitte gefaltet, die Tintenfässer sorgsam geschlossen und die Federn in einer Holzschachtel, damit sie nicht aus Versehen kaputt gingen, während er sich auf dem Platz herumtrieb.
Bei seiner Kleidung war er nicht ganz so penibel. Schön, ja, der Zylinder war makellos. Aber auf seiner Jacke war ein dunkler Fleck - vermutlich Öl - und seine Hose war an den Knien von Grasflecken übersäht. Arbeit machte eben dreckig. Wenn man auf den Boden rumrutschte, um heruntergefallene Nägel aufzusammeln, dann wurde man zwangsläufig zu einem Fleckenzwerg.
Der Zwerg spazierte also über die Wiese, machte das Gras unter seinen Füßen als Rache für die Flecken platt und stierte mit einem dümmlichen Grinsen durch die Gegend. Nichts los. Alle waren sie schon verschwunden oder zu beschäftigt, um irgendwas zu tun. Abgesehen von Madame Farbenfroh und dem Musikmännchen. Das waren seine Spitznamen für die beiden, die er gerade beobachtete. Luden Bretter auf. Auch Arbeit. Schrecklich. Gut, er mochte die beiden, so war das nicht. Aber immer waren sie so fleißig. Jedenfalls immer, wenn er ihnen über den Weg lief. Er runzelte die Stirn, schürzte die Lippen und zog weiter.
Das Ziel seiner Schritte war der kleine Wagen, den er sein Zuhause nannte. Sein Zuhause, wenn er bei dem Zirkus war. Zwischendurch blieb er bei seinen Eltern in Arûna, aber es zog ihn immer wieder hierhin zurück. Wie die Motte zum Licht.

„Mott, Mott.“

Er murmelte die Worte leise, während er auf seinen Wagen zuging und die Tür öffnete. Elegant hopste er hinein, schloss die Tür hinter sich und streckte sich erst einmal ausgiebig. Allerdings nicht nach oben, sondern nach unten. Um in dem Wagen gehen zu können, musste er sich bücken. Den Zylinder schob er mit einem Finger aus dem Gesicht, wischte sich über die Stirn. Dann zog er die schwarze Jacke aus und warf sie auf das kleine Bett in der Ecke. Es bot ihm nicht wirklich genug Platz, aber wenn er sich zusammenrollte, dann passte es. Über ihm hingen die Puppen von der Decke. Er schob sich an seiner Werkbank vorbei zu seinem Bett, ließ sich auf die Matratze fallen und kickte die Schuhe in eine Ecke. Dann knöpfte er das Hemd auf und streckte sich abermals, ein Lächeln auf den Lippen.
Das sofort erlosch, als er ein Etwas auf der halbfertigen Puppe sitzen sah, das sich anscheinend an dem Holz vergriff. Erst starrte er nur. Dann weiteten sich die orangefarbenen Augen und ein Schrei verließ seine Kehle. Er sprang aus dem Sitze vor und streckte die Hände wie Klauen aus, um das Mistvieh zu erwischen. Es glitt aus seinen Händen und Coppelius prallte reichlich unschmeichelhaft gegen die Werkbank, stieß sich ganz böse das Knie an und hüpfte fluchend hinter der kleinen grauen Maus hinterher.

„Na warte du Ratte, ich matsch dich tot!“

Das Ding rannte auf die Wand zu, als wollte sie durch irgendein Loch verschwinden. Das würde er nicht auf sich sitzen lassen! Niemand misshandelte seine Puppen und kam ungestraft davon! Ein Kind hatte einmal die Haare einer seiner Schätzchen mit seinem Eis bekleckert. Woraufhin Coppelius das Eis unter seinem Fuß zertreten hatte. Gute, er hatte dem Kind dann ein Neues gekauft weil es ihm fies vorkam, aber eine Kurzschlussreaktion war ja wohl nichts Ungewöhnliches! Er arbeitet hart an den Puppen. Er musste das Holz selbst schnitzen, er musste die Haare so echt wie möglich aussehen lassen. Das Augen-Problem war immer noch nicht gelöst. Die Glasperlen wirkten einfach viel zu unecht und tot. Durch sein Talent wurden die Puppen fast lebendig. Er polierte das Holz und schaffte es durch eine spezielle Tinktur, es fast wie Haut aussehen zu lassen. Das einzige, was deutlich zeigte, das die Puppen unecht waren, waren die Augen. Leblose kleine Glaskugeln. Alles, was an diesem, seinem Meisterwerk herumnagte, musste vernichtet werden!
Also hechtete er der Maus hinterher, riss den Zylinder vom Kopf und kam mit viel Gepolter und Gekrach hart auf dem Boden auf. Es trieb ihm die Luft aus den Lungen aber er fühlte, dass unter dem Zylinder, den er einfach auf den Boden gedonnert hatte, etwas zappelte und zu entkommen versuchte.
Grinsend hielt er den Zylinder fest, fischte aber mit der freien Hand nach einem Glas, das neben ihm auf dem Boden lag. Es war wohl bei seinem Hechtsprung eben vom Tisch gefallen und zum Glück nicht zerbrochen. Irgendwie schaffte er es auch tatsächlich, den Zylinder gegen das Glas auszutauschen, sodass das Mäuschen nun an den Seiten und oben von Glas und unter ihm von dem Boden eingeschlossen wurde. Coppelius näherte sich dem Glas und beäugte das Etwas.

„Hab ich dich, du Ratte. Was fällt dir eigentlich ein?“

Er setzte sich auf, formte mit den Beinen den Scheidersitz. Und rieb sich dann ausgiebig den Bauch und die Knie. Er begann leise zu jammern, rubbelte sich dann durch das wirre Haar und musterte das Mäuschen, das unter dem Glas saß und ihn ebenfalls anzusehen schien.

„Aaach, guck doch nicht so. Bist selbst Schuld. Mal ehrlich, was erwartest du? Dass ich dich so einfach an einem Meisterwerk rumnagen lasse?“

Er plusterte die Wangen auf und zog gleichzeitig eine Schnute. Er musste aussehen wie ein Irrer. Hockte auf dem Boden. Das Hemd offen, sodass man seine nackte Brust sehen konnte. Die Hose fleckig und jetzt auch noch mit einem Riss. Das Haar zerzaust wie immer und die hellen Augen glühend. Dazu noch der Blick eines bockigen Kindes. Wunderbar. War nicht irgendein Maler in der Nähe, um das ganze festzuhalten? Ach, er war ja selbst einer! Gleich die Gelegenheit für ein Selbstportrait: Ich und die Maus.
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BeitragThema: Re: Der Festplatz   Der Festplatz EmptySa Sep 04, 2010 5:37 pm

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Nezumi rannte die Straße entlang. Fast lautlos patschten seine Füße auf das vom vielen Gebrauch glatt geschliffene Kopfsteinpflaster. Unbeachtet von den vielen, großen Menschen lief er auf den Festplatz zu. Und wenn sie nicht hier ist? schoß es ihm durch den Kopf. Er schnaubte leise. Natürlich war sie hier. Wo sollte sie sonst sein? Seit der Zirkus hier eingetroffen war, hatten die Mäuse es sich im Stall der Zirkustiere gemütlich gemacht. Dort hatte es jede Menge frisches Heu und Stroh gegeben, durch all die Tiere war es warm gewesen und die vielen Besucher mit ihren vielen Leckereien, von denen diesen Trotteln immer etwas herunter fiel, hatten für genügend Nahrung gesorgt. Doch nun reiste der Zirkus ab und so war das Rudel in der Nacht in die Stadt umgezogen. Erst spät war aufgefallen, daß jemand fehlte. Betty. Natürlich Betty, wer sonst? Die kleine, verfressene, etwas dümmliche Betty. Wenn ich die erwische! dachte der kleine Dämon voller Wut und Sorge, Wenn ich die erwische, dann… schimpf ich mit ihr. Und zwar ganz doll. Jawohl!
Er erreichte den Rand des Festplatzes. Kurz blieb er am letzten Haus der Straße stehen und blickte sich um. Ein paar Schaulustige beobachteten den Abbau des Zirkus, viel war allerdings nicht mehr zu sehn. Der eine oder andere half den Artisten sogar, meist waren es Kinder, die auf ein paar Süßigkeiten als Belohnung hofften. Es gab zwar auch Bäcker und dergleichen in der Stadt, aber die Süßigkeiten des Wanderzirkus waren irgendwie doch immer etwas leckerer als jene, die man immer haben konnte. Auf allen vieren huschte der Dämon weiter, nun nicht länger über Stein sondern platt getretenes Gras. Ab und zu blieb er stehen und rief verholen nach dem verlorenen Kind, doch wo sollte er nur suchen? Das Zelt für die Tiere, der Stall, war so wie alles andere bereits abgebaut. Nezu wich einem frischen Pferdeapfel aus und machte sich daran, die Wohnwagen zu durchsuchen.

Sorglos hockte Betty auf der Werkbank auf einer halbfertigen Puppe und knusperte am frischen Holz. Es war ein wenig süß und überhaupt nicht harzig und praktisch ideal um ihre Nagezähnchen etwas zu betätigen. Betty mochte Holz. Ihr großer Bruder hatte ihr schon x-mal erzählt, daß es deutlich bessere Dinge zum Knabbern gab, leckere Dinge. Aber wie so oft war dies nicht so ganz zu der kleinen Maus durchgedrungen. Aber so war es nun einmal, es gab kluge Mäuse und es gab dumme Mäuse. Die dummen wurden meist rasch gefressen, da die Graue jedoch unter dem Schutz einer ganz besonderen Person stand, hatte sie überlebt. Bisher. Denn darüber hinaus war Betty auch noch unaufmerksam und so entging ihr, daß sie nicht länger allein war. Erst der Wutschrei weckte sich aus ihrer Sorglosigkeit und instinktiv flitzte das Fellknäuel sofort davon, was es vor den zupackenden Händen des Mannes rettete. Flugs wollte sie durch das kleine Astloch, durch das sie sich in den Wagen gequetscht hatte, entwischen. Doch noch ein ganzes Stück von diesem entfernt wurde es auf einmal dunkel um sie. Sei prallte gegen etwas Festes, aber nicht sonderlich Hartes. Ängstlich fiepsend drückte sie dagegen. Da wurde es wieder hell und im nächsten Moment saß sie in etwas, durch das sie hindurchsehen konnte. Es war kleiner und daran entlang zu laufen, machte keinen Sinn. Also streckte sie sich, schaute sich um, ob sie nicht doch irgendwo hinaus konnte, und piepste weiterhin um Hilfe. Mit ängstlich zitternden Schnurrhaaren schaute sie den Menschen vor sich mit ihren kleinen Knopfäuglein an.

„Wieder nichts,“

murrte der Mäusekönig und sprang vom Kutschbock auf ein Rad und schließlich ins Gras. Es kam ihm vor als würde er schon den ganzen Tag in Wohnwagen herumwuseln. Wie viele von den verdammten Dingern gab es denn hier!?! Und keine Spur von Betty! Von der dummen Betty, die vermutlich irgendwo saß, wo es rein gar nichts zu essen gab, weshalb sie garantiert wieder irgendeinen Scheiß fraß. Vermutlich Müll oder Papier oder Kleister oder… Ein ängstliches Quieken riß Nezumi aus seinen Gedanken. Wo!?! Da ertönte das Quieken erneut und schon schoß der Katzenbezwinger davon, dem Hilferuf hinterher. Er hatte es nicht weit, das Fiepsen drang aus einem nahe gelegenen Wohnwagen. Die Tür war zu. Fluchend rannte der Retter um das Gefährt herum und suchte einen Eingang. Er fand einen, doch das Astloch war viel zu klein für ihn. Zumindest weiß ich jetzt, wie Betty da rein gekommen ist. Nur, wie krieg ich sie wieder raus? Der Wagen schien recht gut in Schuß, es war unwahrscheinlich, daß er irgendwo einen Riß oder ein morsches Brett fand. Also blieb nur die Tür. Der Mäusedämon nahm Anlauf, sprang in großen Sätzen die kurze Treppe hinauf und mit Schwung bis auf den Türgriff. Nur kurz gelang es ihm diesen herunter zu drücken, doch das reichte um die Tür ein kleines Stück nach Innen zu bewegen. Er sprang auf die Türschwelle und drückte mit ganzer Kraft. Langsam und lautlos bewegte sich die Tür und sobald der Spalt groß genug war, schlüpfte der Blonde in den Wagen.
Sofort erblickte er Betty, die in einem Glas gefangen und völlig hilflos war. Verzweifelt kratze sie an den Bodenbrettern und streckte sich immer wieder in die Höhe, auf der Suche nach einem Ausgang. Vor ihr saß ein halbnackter Kerl, der einen völlig undefinierbaren Gesichtsausdruck hatte. Sein Haar war in Unordnung und sein Blick irre. Du Freak, was hast du mit Betty vor!?! Ohne groß nachzudenken rannte Nezu los, mit einem Schrei sprang er ab und landete mit allen Vieren auf dem Glas, das mit einem dumpfen „Plonk“ umkippte. Betty zischte davon und kauerte sich zitternd an ein Bein der Werkbank. Furchtlos richtete sich Nezumi zu seinen vollen 13,75 Zentimetern auf. Die eine Hand in die Hüfte gestemmt, die andere mit ausgestrecktem Zeigefinger anklagend auf den Übeltäter gerichtet stand er auf dem umgekippten Glas und rief:

„WAS FÄLLT DIR EIN, MEINE KLEINE SCHWESTER ZU BELÄSTIGEN, DU SCHLEIMIGER DRECKSACK!?! Laß GEFÄLLIGST DEINE DRECKIGEN PFOTEN VON BETTY ODER ICH HAU DICH ZU BREI!“
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BeitragThema: Re: Der Festplatz   Der Festplatz EmptyMo Sep 06, 2010 5:51 pm

An der Situation gab es ganz eindeutig sehr viel, das man verbessern hätte können. Was auch hätte verbessert werden müssen. Da war zum Beispiel das ganz Allgemeine. Das mit dem Stolpern und Schreien, das war eindeutig nicht nötig gewesen. Sich hinzulegen, als wäre man ein kleines, tollpatschiges Kind - das war immer wert, vermieden zu werden. Wann kam man schon in eine Situation, in der man sich diebisch freute, über irgendein herumliegendes Tischbein gestolpert zu sein? Wann, seit Anbeginn der Zeit, hatte jemals jemand vor Freude geweint und nicht vor Schmerz, als er sich den großen Zeh oder das Knie angestoßen hatte? Er hatte zumindest noch nie von einem solchen Idioten gehört.
Gut, erste Sache, die vermeidenswert war. Das zweite war, dass er sich seine Jacke wieder hätte anziehen können. In einer dunklen Hose und einem weißen Hemd auf dem Boden zu sitzen, das kam schon etwas merkwürdig rüber. Sollte jetzt jemand die Tür öffnen und ihn so vorfinden - er wüsste nicht recht, wie er das Bild erklären sollte. Er war ja durch sein Mundwerk ohnehin ein Sonderling. Auch wenn im Zirkus jeder akzeptiert wurde, er hatte das Gefühl, das manche ihn mit einem „besonderen Blick“, wie er es nannte, ansahen. Und nach einer solchen Aktion würde der Blick sicher noch besonderer.
Das waren also schon zwei Dinge, die er eeeeindeutig hätte vermeiden können. Gut, aber jetzt war das alles schon passiert und er hockte auf dem Boden. Sah wirr aus. Benahm sich wirr. Hatte Schmerzen im Knie. Und die Schmerzen waren auch wirr. Aber es gab trotzdem noch viele Dinge, die sehr vermeidenswert waren.
Beispielsweise hätte er sich das Lachen verkneifen können. Aber als ein Etwas auf das Glas zu gerannt kam, es umwarf und die kleine graue Maus befreite, sich dann noch auf das umgefallene Glas stellte und ihn anschrie, da konnte er nicht anders. Er warf den Kopf in den Nacken und stieß ein schallendes Lachen aus, dass es seinen Körper nur so schüttelte und die ohnehin schon wirren Haare noch mehr durcheinander gebracht wurden. Er klatschte in die Hände, wischte sich dann mit dem Ballen kurz die Tränen aus den Augenwinkeln und schaute, immer noch kichern, auf den Nicht-ganz-Dreikäsehoch herab. Stand da wie der Ankläger persönlich und keifte ihn an, als habe er etwas ganz und gar Schreckliches getan.

„Und was willst du tun? Mich an meinem kleinen Zeh packen und durch den Raum werfen? Sieh, wie ich vor Angst zitter’!“

Kurz war er versucht, dem Kleinen einfach seinen Zylinder überzustülpen wie bei der Maus vorhin. Aber hier war das Risiko einer Zerstörung noch viel schlimmer als bei einer einfachen Maus. Es musste sich bei dem Zwerg um einen Dämonen oder so etwas handeln. Er sah nicht aus wie eine Fee, hatte dafür aber einen kleinen Mäuseschwanz. Und auch Öhrchen. Wenn man genauer hinsah, konnte man sie erkennen. Coppelius strengte seine Augen an. Dem Kerlchen mit dem Gesicht zu nahe zu kommen wäre dumm. Mehr als dumm. Ganz ungeheuer dumm.
Statt also den Kleinen in seinen Zylinder zu sperren, setzte er sich den Hut auf das helle Haar, schob ihn mit dem Zeigefinger etwas aus dem Gesicht und sah zu dem Mäusedämonen herab.

„Reg dich ab, ich hätte die Maus schon nicht tot gequetscht. Aber wer sich an meinen Puppen vergreift, muss erst bedroht werden. Ich hätte sie vermutlich irgendwo auf dem Platz ausgesetzt.“

Er zuckte mit den Schultern und der schwarze Zylinder wackelte auf dem Kopf. Coppelius stützte die Hände auf die Knie und musterte den Mäusedämon weiter. Irgendwie war das ja putzig. Und mutig. Wenn Coppelius zufällig eine Bratpfanne und böse Gedanken gehabt hätte, wäre der Knirps jetzt ein unansehnlich platter Haufen. Trotzdem stand das Kerlchen auf dem Glas und spielte sich auf, als wäre er zwei Meter groß und nicht knappe 10 Zentimeter. Musste das Ego eines Elefanten abbekommen haben. Wobei, es lag irgendwie in der Natur kleiner Dinge, sich ganz groß zu fühlen. Bei Hunden war es doch auch so. Die großen Hunde waren meist total kinderlieb und ruhig während die Wadenbeißer eben genau das taten: Waden beißen. Er musste hier an einen wadenbeißenden Mäusedämonen geraten sein. Das perfekte Ende für einen perfekten Tag.

„Hör mal zu, Däumling, ich hab dank deiner Freundin noch zu arbeiten. Wäre also nett, wenn du dich verdünnisieren würdest. Für das Astloch bist du wohl zu dick, aber ich mach dir gern die Tür auf. Ist ja so schwer für dich, die Klinge zu erreichen.“

Man sollte ja eigentlich keine ohnehin schon sehr aggressiven Personen ärgern. Aber Coppelius konnte es sich nicht verkneifen. Sein Mund machte einfach, was er wollte. Sprach Worte und stachelte das kleine Wesen bestimmt noch an. Er bezweifelte auch ernsthaft, dass der Dämon so einfach abhauen würde. Was für eine schlimme Situation. Und seltsam.
Aber wenigstens war ihm eine Sache klar geworden: eine Bratpfanne konnte man immer gebrauchen!
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BeitragThema: Re: Der Festplatz   Der Festplatz EmptySa Sep 11, 2010 2:56 pm

Der Mäusekönig hatte mit allem Möglichen gerechnet, wie zum Beispiel angegriffen zu werden oder daß der andere sich über sein plötzliches Erscheinen erschrecken würde. Manche Leute fingen an zu kreischen, wenn etwas Kleines, Schnelles ihnen vor die Füße rannte. Aber daß der Riese in schallendes Gelächter ausbrach, hatte Nezu nicht erwartet. Es schüttelte den Kerl von Kopf bis Fuß, so daß seine Haare flogen und ihm die Tränen in die Augen stiegen. Mit einem verwunderten Gesichtsausdruck senkte der Kleinere den ausgestreckten Arm ein Stück und betrachtete den Menschen genauer. Seine Hose war recht mitgenommen, Nezumi entdeckte Grasflecken, einen Riß… Es war eine Hose, wie sie zu einem Anzug gehörte. Warum hatte der Mann mit so einer Hose im Gras rumgerobbt? Er hatte ein weißes Hemd an, das ebenfalls zu einem Anzug paßte, aber er trug es offen, so daß man seine Brust sehen konnte. Verhältnismäßig mehr als der Mäusedämon hatte er nicht zu bieten, aber der Jüngere konnte sich wenigstens sagen, daß er noch im Wachstum war und die Muskeln schon noch größer werden würden. Tja, und dann war da noch das wirre, weiße Haar und die komischen, orangefarbenen Augen. Abgesehen davon klatschte der Seltsame nun auch noch wie ein Kind begeistert in die Hände. Der Blonde senkte den Arm nun ganz und kam zu einem Entschluß: Der Kerl ist total irre. Vielleicht sollten wir lieber schnell abhauen…
Aber dann forderte ihn der Wirrkopf heraus. Das konnte er nicht auf sich sitzen lassen!

„Das solltest du auch! Ich bin Nezumi, der Mäusekönig, der Schrecken aller Katzen. Aber…“

Er schaute zu Betty hinüber, um sich zu vergewissern, daß es ihr gut ging.

„… da du der kleinen Betty nichts getan hast, werde ich dich gnädiger Weise verschonen.“

Der komische Vogel setzte einen Zylinder auf und wirkte so nur um so verrückter auf den jungen Burschen. Der hat voll nen Schuß.
Auf die Erklärung hin, er hätte die Maus aussetzen wollen, verschränkte seine Hoheit die Arme vor der Brust und machte ein finsteres Gesicht.

„Das will ich dir auch geraten haben.“

Der Riese musterte Nezumi, was diesem nicht paßte. Er drehte sich einfach um und sprang vom Glas auf den Boden, dann ging er zu Betty hinüber. Sanft streichelte er ihr den Kopf und rümpfte die Nase. Vor Angst hatte sie sich ins Fell gemacht. Hoffentlich bemerkte der Mensch die kleine Pfütze nicht sofort.

„Ich hab dir doch gesagt, du sollst nicht jeden Scheiß annagen. Du bist echt zu dämlich.“

sagte er leise und mit sanfter Stimme zu dem dummen Säugetier.
Zu jedem anderen Zeitpunkt wäre der Dämon wohl an die Decke gegangen und auch jetzt ärgerte er sich darüber „Däumling“ genannt zu werden. Wütend ballte er die Fäuste und knirschte mit den Zähnen, doch irgendwo hatte er mal gelesen, daß man mit Irren nicht streiten soll. Außerdem wollte er sich nicht mit jemandem anlegen, wenn jemand wie Betty in den Kampf verwickelt werden konnte. Dann grinste er dem anderen frech ins Gesicht.

„Das Angebot nehmen wir gern an. In so nem engen Schrottwagen wollen wir uns nicht unnötig aufhalten. Außerdem fängt Betty sonst noch wieder an, an irgendeinem Müll rumzunagen. Nicht, daß sie noch kotzen muß.“

Mit diesen Worten schnappte er sich Betty und klemmte sie sich unter den Arm. Normaler Weise hätte er sie auf den Arm genommen, aber ihren nassen Pipi-Po wollte er wirklich nicht anfassen. Die Kleine schnaufte nur leise, ließ sich die Behandlung gefallen und alle Fünfe hängen.
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BeitragThema: Re: Der Festplatz   Der Festplatz EmptySo Sep 12, 2010 11:31 am

Während sie so rackerte, vernahm Nehelenia ein Pfeifen hinter sich. Lucien! Der Werwolfmann war mit einem Stoffpaket belastet und schmiss es mit dumpfen Rumpeln auf den Wagen, mühte sich ebenfalls ein wenig ab, auch wenn seine Last viel schwerer war als die ihre. Erfreut lächelte die junge Zirkusdame, als sie ihn singen hörte. Er schien gut gelaunt zu sein...der gute Lucien. Wenigstens einer.
„Ufff...“ mit einem leisen Stöhnen hatte sie eine Planke über die Wagenkante geschubst. Das anschließende Poltern verriet ihr, dass irgendwas zu Bruch gegangen sein musste. Verärgert verzog sie das Gesicht, wollte schon auf den Wagen klettern, um nachzusehen was passiert war, dann entschied sie jedoch, die Klettertour zu lassen und lieber auf festem Boden zu bleiben. Sie griff nach dem nächsten Brett, hob es an, und -
„Nana, heb dir mal keinen Bruch.“
„Hey...“ meinte sie verdutzt. „Oh...“ kam dann verdutzt. „Danke, Lucien.“ Die Erleichterung war nicht zu übersehen. „Warum ich hier schleppe? Ach...ich weiß es selber nicht. Mir war irgendwie danach. Kennst du das nicht? Außerdem hasse ich es, nur die kleinen Sachen schleppen zu dürfen...“ Nehelenia klang albern, fiel ihr auf. Hoffentlich lachte Lucien sie jetzt nicht aus...schnell hievte sie ein neues Brett nach oben und gemeinsam arbeiteten sie den Stapel ab. Eine Weile waren nur ihre Atemzüge, das Klappern der Bretter und von ferne gedämpfte Stimmen zu hören. Die neugierige Menge hatte sich inzwischen verzogen, und der Festplatz lag nun relativ ruhig da. Hier und da standen einige Gestalten herum; vom Zirkus, aus der Stadt...es dämmerte zudem, was bedeutete, dass die Menschen nun in ihre Häuser zurückkehrten. Glücklicherweise war gerade Sommer, und so konnte der Cirque du May sein Programm auch noch im Hellen aufführen. Doch jetzt...die aufkommende Dunkelheit bedrückte Nehelenia. Erinnerte sie wieder an das, woran sie vor Luciens Besuch gedacht hatte. Einen Moment lang ließ sie ihren Blick traurig über das Land schweifen, dann sah sie wieder zu dem Werwolfmann und registrierte überrascht, dass er sie musterte. Und aufgrund ihrer Miene recht fragend schaute.
Ertappt versuchte Nehelenia deshalb, ein Lächeln aufzusetzen, doch es gelang ihr nur kläglich. Peinlich berührt, dass man in ihrer Mimik wohl lesen konnte wie in einem offenen Buch, seufzte sie deprimiert und gab den Versuch auf, ihre Stimmung zu verbergen. „Ach Lu...dir bleibt aber auch gar nichts verborgen, oder?“
Am Liebsten wollte sie sich jetzt in seine Arme kuscheln und einschlafen, wie früher, als sie noch ganz klein gewesen war...einfach nichts mehr mitbekommen, und sich von ihm beschützt wie bei einem Ersatzvater zu fühlen...
Aber sie wollte nicht zu schutzlos wirken. Immerhin war sie die Leiterin eines Zirkus, und als solche hatte sie stark zu sein...was nicht immer ganz einfach war.
Am Liebsten wollte Nehelenia sich nun irgendwo verkriechen, aber irgendwie war sie nicht davon überzeugt, dass Lucien sich mit einer Ausrede oder ähnlichem abspeisen ließ...
„Können wir uns irgendwo hinsetzen, wo es ruhig ist?“ bat sie deshalb. „Ich bin müde und habe leichte Kopfschmerzen, und ich hab keine Lust, dass irgendwer mir bei meinen kleinen, banalen Sorgen zuhört. Außer dir natürlich.“ Bei diesen Worten grinste sie schwach, und gab ihm einen kleinen Stups gegen den Arm. Wahrscheinlich würde er wie ein leichtes Kitzeln spüren...auch wenn er in Menschengestalt war, so hatte er trotzallem erhöhte Kraft und ein Klaps gegen einen Muskel war für ihn quasi nichts...
Liebevoll ließ Nehelenia den Blick über Lucien schweifen. Sein Haar war nach dem ganzen Aufräumen und der Aufführung leicht zerzaust, und auch ein bisschen verschwitzt. Seine sonst recht grimmige Miene erschien ihr entspannter nach all der Arbeit, aber vielleicht täuschten ihre Augen sie auch...
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BeitragThema: Re: Der Festplatz   Der Festplatz EmptySa Sep 18, 2010 5:21 pm

Eindeutig ein verrückter Tag. Aber mal ehrlich, wer erwartete denn schon, von Mäusen überfallen zu werden? Öfter mal etwas Neues ausprobieren - so hieß zwar der Wortlaut, aber trotzdem musste er das nicht noch einmal haben. Ihm genügte es, wenn seine kostbaren Puppen ein einziges Mal angenagt wurden. Wenn er ganz ehrlich sein sollte, dann war selbst einmal Zähnchen reingraben schon zu viel. Aber Zeit zurückdrehen lag nun mal nicht in seiner Macht. Dann hätte er sch sowohl eine Bratpfanne, als auch Mäuseköder und eine einbruchssichere Bude besorgt. Konnte ja nicht angehen, dass kleine Mäuse seinen Wagen bevölkerten.
Es schienen allerdings keine normalen Mäuse zu sein. Der Däumling war eindeutig kein kleines Fellvieh. Mit seiner nackten Brust und den blonden Haaren war der Kleine eindeutig ein Mischwesen. Stellte sich auch als solches vor. Na ja, nicht direkt. Er nannte sich „Mäusekönig“. War der Knirps etwa so etwas wie der Schutzpatron der Grauen? Ein König hatte doch normalerweise eine Krone. Oder ein Zepter. Oder auch beides. Und da dieser Nezumi weder das eine, noch das andere bei sich trug, konnte Coppelius ihm die Rolle als König der Mäuse nicht abnehmen. Der spielte sich doch mit Sicherheit nur auf. Wobei das Mäuschen, der Verbrecher, schon etwas ruhiger geworden war, seit der Emporkömmling hier in Coppelius’ Wagen war.

„Gnädig, wahrlich, euer Hoheit.“

Sein Mundwerk sprach mal wieder ohne Erlaubnis. Der Sarkasmus in seiner Stimme war beinahe greifbar, als er mit einem schrägen Grinsen zu dem Knirps herabsah. Das war wirklich alles zu schräg. Als würden Mäuschen einen König haben. Am besten noch alle Tierarten, die man irgendwo finden konnte. König der Faultiere. König der Schweine. König der grünfüßigen Teichhühner. Ha, dem König würde er gerne einmal begegnen.
Der Anwesende schien sich genug mit Coppelius unterhalten zu haben, denn er wandte sich einfach von ihm ab und stapfte auf das Mäuschen zu. Immerhin kümmerte er sich um seine doofen Schutzviecher. Streichelte dem Mäuslein sogar über den kleinen Kopf.

„Scheiß?“

Jetzt war er es, der die Nase rümpfte. Er schob den Zylinder noch weiter zurück, sodass der Kleine sein ganzes, jetzt entrüstetes Gesicht sehen konnte. Niemand durfte seine Werke ungestraft als Scheiß bezeichnen. Außer Coppelius selbst. Und der schätzte jedes noch so misslungene Werk. Na, das stimmte nicht wirklich. Den Mist schmiss er einfach weg, ohne ihm Leben einzuhauchen. Man musste ja nicht alles auf die Menschheit loslassen. Coppelius war ein kleiner Perfektionist. Er durfte zwischendurch Dinge als Scheiß bezeichnen. Aber was er dort oben auf der Werkbank anfertigte, das war eindeutig kein Mist. Das war ein neues Modell der Coppelia, wie er seine Puppen am Anfang alle nannte. Der zarte, kleine Frauenkörper war schon zu erahnen. Der Kopf allerdings war nur ein schädelförmiger Klotz, der noch ausgearbeitet werden musste. Dank der Maus musste er jetzt auch noch den Oberkörper ausbessern. Das würde ihn mindestens zwei Tage aufhalten. Er musste neues Holz besorgen, er musste es schleifen und so an die Nagestelle anpassen, dass man den Unterschied nicht sah. Zum Glück konnte er den Makel durch Kleidung verdecken, aber allein das Wissen, dass diese Puppe nicht perfekt war, verschaffte ihm eine Gänsehaut.
Während er noch über die bevorstehende Arbeit nachdachte, haute der Kleine den nächsten Spruch raus. Schrott? Müll? Gut, jetzt reichte es ihm! Der Kleine würde sehen, dass das alles kein Müll war.
Coppelius stand auf und griff nach vier kleinen Figuren auf seinem Bett. Sie bestanden aus braunem Holz und waren eigentlich nur dafür da, die menschlichen Proportionen aufzuzeigen. Sie dienten ihm nur als Zeichenvorlage. Aber er hatte sie damals selbst hergestellt und er konnte auch jetzt noch weiter gehen.
Mit den Fingern der linken Hand strich er sacht über die Köpfe der Figuren und setzte sie dann auf dem Boden ab.

„Tanzt!“

Mehr als dieses Wort brauchte es nicht. Coppelius bewegte die Finger und dirigierte die Figuren an unsichtbaren Fäden auf den kleinen Mäusekönig zu. Die Figuren bewegten sich mit einem leisen Klackern, wenn sich die Gelenke bewegten und sie ein Beinchen vor das andere setzten, sich drehten und sich zwischen die Tür und dem Frechdachs schoben. Dort blieben sie stehen, tanzten jedoch weiter. Ihre Arme glitten durch die Luft, die Beine blieben nicht still. Coppelius ließ sich wieder auf den Boden sinken, beobachtete die Gruppe von kleinen Dingen und schmunzelte. Die Figuren waren nur einen Kopf größer als der König mit dem Mäuschen auf dem Arm.

„Ich finde nicht, dass das Müll ist. Nur weil ihr Mäuse alles fresst, was euch zwischen die Kauleiste kommt. Ihr habt einfach keinen Geschmack weil ihr jeden erdenklichen Popelkram in euch stopft. Magische Dinge, die könnt ihr gar nicht genießen. Huuuii!“

Bei dem letzten Wort bewegte er die Finger mit einer leichten Drehung und die Figuren wirbelten einmal um sich selbst.

„Du bist also Nezumi der Mäusekönig? Dann gestatte mir, dass ich mich ebenfalls vorstelle.“

Er bewegte die Finger kurz nach vorn und alle vier Figuren beugten den Kopf zum Gruß.

„Ich bin Coppelius, der Meister der Puppen.“
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BeitragThema: Re: Der Festplatz   Der Festplatz EmptyDo Okt 21, 2010 7:09 pm

Es war nicht zu übersehen, dass die kleine Farbentänzerin eigentlich das komplett falsche Wesen war, um die schwere Arbeit hier am Zelt zu übernehmen. Ihm selbst war klar, dass dieser Gedanke höchst nach „Das ist eine Frau, die kann eh nix“ klang, aber so war das gar nicht gemeint. Er kannte den Farbrausch nun bestimmt einen großen Teil ihres Lebens lang, und wusste daher, dass sie nicht unbedingt jene Art von Mensch war, die man Bretter schleppen lassen konnte. Es gab im Zirkus andere Arbeiten beim aufräumen, für die sie mehr zu gemacht sein schien. Und damit meinte er nicht das übliche, was man Frauen halt so aufdrücken konnte. Kochen, Waschen, Nähen. Nein, das war nicht das, was man Nehel antuen sollte. Aber gerade die Bretter schleppen.

„Dir war gerade danach, soso.“

Er bohrte gar nicht groß weiter. Brauchte er gar nicht. Ihrer Stimme war die Erleichterung anzuhören gewesen, dass ihr jemand zur Hilfe gekommen war, dazu musste man kein großartiges Genie darin haben, Gesichter entziffern zu können. Nicht einmal sonderlich viel Menschenkenntnis war vonnöten, um das zu sehen, was offensichtlich war.
Also arbeitete er einfach neben ihr her. Ein Brett nach dem anderen. Bis sie schließlich fertig waren. Sie seinen Blick bemerkte. Die Frage herauslas, die darin gestanden hatte. Er brauchte sie gar nicht zu stellen, schließlich kannte auch der Farbrausch ihn inzwischen ganz gut. Und wenn man wusste, wie man die Frage aus sein Gesicht projizieren musste... Der alte Wolf grinste ein wenig, als sie ertappt versuchte, ihre Laune zu verbergen. Versuchte. Ihr selbst schien aufzufallen, dass der Versuch mehr als missglückt war, denn sie lies es sehr schnell wieder sein. Auf ihre Frage hin schüttelte er den Kopf und lächelte sanft.

„Mir bleibt einiges verborgen. Aber nicht alles. Und vor allem nicht das Offensichtliche.“

antwortete er auf ihre Frage. Sie schien sich unwohl zu fühlen, und er musste sich davon abhalten, die Hand auszustrecken und sie zu sich zu ziehen, ihr den Schutz bieten, den sie vielleicht brauchte. Aber zugleich wusste er auch, dass das hier in aller Öffentlichkeit falsch war. Vielleicht kannte kaum jemand die Farbtänzerin so gut, wie er das tat, dem entsprechend wussten nicht viele, wie viel Schutz die kleine eigentlich brauchte. Zirkusleiterin hin oder her. Für ihn war sie nach wie vor ein Kind, um das es sich zu kümmern galt. Nur die anderen brauchten das nicht unbedingt zu wissen.

„Wo immer du hin willst, Buntchen.“

Er sprang nach dem Stubser vom Wagen herunter, auf dem er bis eben noch gestanden hatte und drehte sich nach ihm um.

„Soll ich Euch fangen, Holdste Maid?“,

rief er zu ihr hinauf und streckte seine Arme aus, damit sie eventuell hineinspringen konnte. Wieder lag ein grinsen auf dem seinem Gesicht. Nicht sonderlich viel davon, doch genug um seine sonst so grimmige Maske für einen Moment lang zum Verschwinden zu bringen. Als sie hinunter vom Wagen gesprungen war, strich er das zerzauste Haar aus seinem Gesicht, das sich aus dem Zopf gelöst hatte – im Moment noch war er zu faul es wieder ordentlich zusammen zu binden – und machte sich mit dem kleinem Farbklecks an seiner Seite auf die Suche nach einem Ort, an dem sie beide ungestört miteinander sprechen konnte. Wo er wirklich für sie da sein konnte.
Er vermutete bereits zu wissen, was ihre Sorge war. Die selbe, wie immer. Aber sicher? Niemand konnte sich jemals wegen irgendetwas wirklich SICHER fühlen. Aber die Vermutung war da.
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BeitragThema: Re: Der Festplatz   Der Festplatz EmptySa Okt 23, 2010 6:31 pm


Da stand er, mit offenen Armen, und diesem schiefen Grinsen, das Nehelenia an dem Werwolf so gerne mochte und sie stets an ihren Vater erinnerte. Er fragte, ob er sie fangen wollte, und für einen Moment fühlte sie sich in die Zeit zurückversetzt, in der sie noch ganz klein gewesen war, in der sie noch getragen wurde. In der man sie beschützt hatte, in der immer jemand dagewesen war, der sie vor dem Fallen gerettet hatte.
Und diesen einen Moment lang war Nehelenia ein Kind, ergriff die Gelegenheit, wollte klein sein. Einen Moment lang nicht Zirkusleiterin sein, einen Moment lang einfach nur die kleine Lenia, und sie sprang.
Sie wusste, dass sie leicht war, und dass Lucien sie locker auffangen konnte, und sie vertraute ihm. Erstaunlich sanft landete sie, und anstatt sich dann von ihm zu lösen, umarmte sie ihn einfach fest, vegrub ihr Gesicht einfach so an seiner Brust, weil sie nicht anders konnte. Ja, sie war grade so dämlich schwach, so schwach, wie eigentlich nicht sein sollte, aber es gelang ihr nicht – noch nicht – ihre Fassung wiederzuerlangen, und genau deshalb versteckte sie sich vor der Welt, indem sie sich einfach an Lucien klammerte. Und ganz plötzlich mit den Tränen kämpfte. Mühsam konnte sie ein Schluchzen unterdrücken, aber ihr Körper bebte, und sie brauchte einige Sekunden, um den Kloß runterzuschlucken. Dann schob sie sich ruckartig von Lucien und ging schnell voran, als ob ihr die eigene Schwäche peinlich war. Sie hatte eigentlich geglaubt, um diesen Zwischenfall herumzukommen, aber dann hatte sie doch nicht widerstehen können...immer diese melancholischen Phasen. Sie versuchte, den Gedanken wegzuwischen, und huschte leichtfüßig über die Wiese, die langsam etwas nass wurde, jetzt, wo die kühle und feuchte Nacht kam, und sie konnte spüren, wie ihre nackten Füße rosig wurden, da es ihnen zu kalt war. Aber gleich würden sie in einen warmen Waggon steigen, aus irgendeinem Grund steuerte Nehelenia direkt auf Luciens zu. Es war eine automatische Reaktion, die ihr irgendwie kindisch und zugleich richtig erschien.
Mit einem weiteren Seufzer marschierte sie energisch auf die Tür zu Luciens Wohnwagen. Dort angekommen, stand sie erstaunt vor der Treppe, als sie merkte, dass sie wohl ein wenig zu schnell gewesen war. Um nicht zu sagen, gelaufen war.
Heute bin ich irgendwie komisch – ganz verkorkst, stellte die junge Frau fest, und rümpfte bei diesem Gedanken die Nase.
Dann war Lucien auch schon heran, und sie wartete, um den Musikmagier vorzulassen. Es gehörte sich in ihren Augen so, dass man den Besitzer vorließ – nicht zuletzt, da er meist auch die Tür aufschließen musste. Hier im Cirque du May waren zwar alle miteinander befreundet, und die Leute hatten nichts voreinander zu befürchten, im Gegenteil, aber es gab auch genug Fremde, die auf dem Gelände rumliefen, weshalb viele abschlossen. Und abgesehen davon war es der gegenseitige Respekt, der bei dieser Geste gezeigt wurde.
Auch, wenn dieser Respekt grade fehl am Platz wirkte, da die Athmosphäre so freundschaftlich und vertraut war.
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BeitragThema: Re: Der Festplatz   Der Festplatz EmptyMo Okt 25, 2010 6:31 pm

Als der Mann bestätigte und anerkannte, daß Nezu ihm Gnade erwies, nickte dieser bestätigend und mit hoheitsvoller Miene. So etwas wie Ironie oder Sarkasmus hatte er noch nie geschnallt, wenn er auch manchmal bemerkt hatte, daß der Sprechende seine Worte anders meinte als sie eigentlich lauteten.

„Du brauchst mich nicht Hoheit zu nennen.“

meinte der Dämon großzügig.

„Es reicht völlig, wenn du mich mit „lieber Mäusekönig“ ansprichst.“

Danach beachtete er den Riesen nicht weiter und schaute erstmal nach der verängstigten Betty. Das entrüstete „Scheiß?“ lenkte die Aufmerksamkeit des Kleinen wieder auf den seltsamen Kerl. Der Mäuserich war jedoch nicht im geringsten eingeschüchtert und warf dem Hutträger seine Abschiedsworte vor die Füße. Allerdings hatte er es wohl übertrieben, denn im Gegensatz zu seiner Ankündigung machte der Besitzer des Wagens keine Anstalten die Tür zu öffnen, sonder wühlte in dem Gefährt herum.

„Ey, Zylindermann, wolltest du uns nicht rauslassen?“

protestierte der Ignorierte. Im nächsten Moment stellte das Zirkusmitglied vier seltsame Puppen auf den Boden. Nezumi fragte sich im Stillen, wofür die wohl gut waren. So etwas Kahles und Ödes wollte bestimmt keiner kaufen. „Tanzt“, sagte der Mann und Nezumi konnte nicht anders als zu glotzen. Schnell hatte er sich wieder im Griff, nahm Haltung an und heuchelte Desinteresse. Jedoch war er nicht besonders gut darin und auch wenn er versuchte wegzusehen, wanderte sein Blick immer wieder zu den tanzenden Puppen. Kommentarlos ließ er die Erläuterungen des Mannes über sich ergehen. Der Bursche war nicht wirklich wichtig, aber die Figuren gefielen dem kleinen Dämon. Es kribbelte ihn richtig in den Beinen mitzutanzen. Nach einer Weile konnte er sich nicht mehr beherrschen. Rasch setzte der Blonde Betty auf dem Boden ab und ging zu den Tänzern hinüber. Unverholen und voller Begeisterung bestaunte er das Schauspiel und wippte im Takt mit, dann sprang er in die Luft und fügte sich fast mühelos bei der Gruppe ein. Fröhlich tanze er mit und jubelte:

„Ey, Alter, das ist total klasse!“

Er zappelte zwischendurch ein wenig albern herum, nur so zum Spaß, aber im Großen und Ganzen richtete er sich fast so brav wie die Puppen nach den Gesten des Puppenspielers. Als er nun gefragt wurde, ob er Nezumi, der Mäusekönig sein, rief er:

„Jawohl, das bin ich!“

sprang hoch in die Luft, machte einen Salto und landete leichtfüßig vor den Puppen, die sich gleich darauf vor ihm verneigten. Vergnügt nahm er Haltung an und verbeugte sich ebenfalls mit einer Ernsthaftigkeit und Eleganz, die man ihm gar nicht zugetraut hätte. Doch dieser Augenblick war schnell vorbei und sogleich war der Bursche wieder ganz enthusiastischer Jugendlicher.

„Hey, Coppi, wetten daß ich schneller tanzen kann als deine Puppen? Wetten? Wetten?“

rief er aufgeregt, wobei er seine Hände zu Fäusten ballte und die Arme in die Luft warf.

„Laß uns sofort weitermachen… oh… äh… Betty hat übrigens vor lauter Angst da drüben auf deinen Boden gepinkelt.“

fuhr er etwa verlegen fort und zeigte zur Werkbank. Da er mit dem Kerl Spaß hatte, fühlte sich der Katzenbezwinger verpflichtet, ehrlich zu dem Typen zu sein.

„Wenn du mir nen Lappen gibst, wisch ichs schnell weg… Aber dann spielen wir gleich weiter, ja?“

fügte er mit neuer Begeisterung hinzu.

In der Zwischenzeit war Betty näher gekommen du schnupperte auf beunruhigende Weise an den kleinen Holzpuppen.

„Pfui, Betty. Komm sofort her.“

schimpfte der Dämon und als diese nicht hörte und die Gefahr größer wurde, daß sie wieder zu knabbern anfing, ging er zu ihr, packte sie und trug sie ein Stück weg. Dort setzte er sie wieder ab und sagte:

„Böse Betty.“

Woraufhin die kleinen Knopfaugen verräterisch zu glitzern anfingen und sich das Mäuschen zu einem kleinen Ball zusammen rollte.

„Nein! Nicht weinen! Nicht… Schau Betty, ich bin schon gar nicht mehr sauer. Schau!“

Er setzte sich neben sie und grinste so breit er konnte, aber Betty wollte nicht gucken und blieb ein Fellknäuel. Nezumi seufzte und wuschelte durch das kurze, graue Flauschefell.

„Na schön. Ich machs.“

Ein Öhrchen und ein Äuglein schauten aus dem Pelzball heraus. Schmollend schob Nezu die Unterlippe vor und schaute zur Seite.

„Ja, ich machs. Ich geh mit dir zur Müllkippe. Und du darfst da rumwühlen, so viel zu willst und alles anfressen.“

Freudig sprang ihn das Tierchen an und kuschelte sich an seine Brust, so daß der eigentlich Größere fast nach hinten umkippte.

„Ey, nun reiß dich mal zusammen! Und glaub ja nicht, daß du was von dem Dreck mit ins Nest nehmen darfst und wir baden gründlich bevor wir Heim gehen. Das das klar ist.“

Betty war von seinen nachträglichen Einschränkungen völlig unbeeindruckt und leckte ihm die Wange, was er sich eine Weile auch gefallen ließ.

„Ja,ja. … Jetzt ist aber gut!“

meinte der Mäusebeschützer, legte die Hand auf das Schnäuzchen, wodurch er es praktischer Weise zuhielt, und wuschelte der Grauen das Köpfchen, die ihn mit funkelnden Äuglein ansah.

„Och, Menno.“

jammerte Nezumi und sah zu dem Puppenspieler auf.

„Was is? Spieln wir noch?“
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