Es ist wohl nicht zu viel gewagt,
Wenn man nach seinem Namen fragt?
»Shirah-el«, das sagt er, gefragt nach dem Namen,
Ganz kurz und gar knapp, viel mehr muss er nicht sagen
Er könnte auch hunderte Beinamen nennen,
Doch interessieren ihn Titel und Ehren
Nicht mehr als ein Toastbrot mit zwei kleinen Beeren.
Nur zwecks schlechter Namen wird niemand verbrennen.
Dann fragt man sich wohl nun zum Zweiten
Was sind seine Fähigkeiten?
Die Kräfte, die von seiner göttlichen Macht her
Erstammen, sind notwendig wieder an diese
Geknüpfet. Als Gottheit des Reimes und Verses
Versteht sich, dass Versmaß und Schema des Reimes
Bestandteil der seinigen Zauber sein müssen.
Spricht er Anapäste, sowahr sie sich reimen,
Ob paarweis', umarmend (es geht auch im Kreuze),
Ein schrecklicher Fluch seine Lippen verlassen
Ein gar schweres Unglück hierauf wird befallen,
Das ärmste der Wesen, das ihn so verärgert.
Im Daktylus spricht er die Zaubereiformeln,
Die Segen und Glück dem Empfänger versprechen.
Auch hier ist es nötig, dass Verse sich reimen;
Was wäre die Macht seiner Worte verkümmert,
vergäße er diese uralten Weisheiten?
In Jamben spricht er ganz gewöhnliche Zauber;
Zum Beispiel betritt er mit ihnen die Welten
Auf denen die Seinen ihn loben und preisen.
Es ist zwar nicht nötig, doch rein aus Gewohnheit
Wird er dafür sorgen, auch diese zu reimen.
Es ist doch sicherlich kein Graus
Zu wissen, wie sieht er denn aus?
Zu Zeiten da er auf der Erde wandelt,
Und sich in Menschs Gestalt zu zeigen wagt,
Erkennt man ihn als hochgewachsnen, dürren
Und jungen Mann mit glattem, blondem Haar.
Auch seine zarte, helle, weiche Haut
Ist makellos wie mondelbischer Herkunft
Die feinen Brauen schmiegen sich um Augen,
So blau wie selbst der Himmel selten strahlt.
Die Nase ist vielleicht ein wenig spitz
Doch nur für den, der sucht zu kritisieren.
Den Mund umschließen blasse, dünne Lippen;
Das Gesicht zwei zierlich-feine Ohren.
Wie ein Bademantel seine Kleindung wirkt
Mit einem Gürtel um den Bauch fixiert.
Darüber trägt er einen langen Umhang
In Ärmelhöhe weiß, ansonsten tiefblau.
Er ist ein großer Freund von Schmuck und Blumen:
Die Skarabäuskette um den Hals;
Das große Amulett am linken Ohre;
Das Muster auf dem Umhang; sie bezeugen’s.
Nie sieht man ihn ganz ohne Attribute:
Zumeist die stilisierte göttlich’ Feder,
Zuweilen eine Rolle Pergament
Sie runden ab das Bild des Dichtergottes.
Wir wissen aus vergleichender Betrachtung,
Dass jeder Gott ein animalisches
Gesicht neben seinem hominoiden
Ebenfalls besitzt, annehmen kann.
Doch die Debatte ist rein hypothetisch,
Denn niemand hatte – niemand wird je haben –
Die Möglichkeit die tierische Gestalt
Shirah-els jemals tatsächlich zu sehen –
Er ignoriert sie schlichtweg gnadenlos.
Und das ist klar; wer könnt ihm das verdenken,
Denn wann sah man bisher ein tierisch Wesen
Mit Pergament und Feder holde Verse
Für die Nachwelt ewiglich festhaltend?
Daher stammt schließlich seine klare Meinung:
Ein Tier zu sein, das führet nicht zum Ziele
Wenn das Ziel doch absolut eindeutig
Nur eine menschgemachte Kunstform ist.
Von daher dürfen wir ein wenig raten,
Im Dunkeln stochern, etwas spekulieren.
Ich denke, wohl gemessen an den Taten,
Die er in Menschenform zu tuen pflegt,
Er käm in Katzenform heranstolziert.
Das Fell so gold wie seine hellen Haare,
– Der gleiche Farbton, den sein Nebel trägt –
so glatt, gepflegt und weich wie es nur geht.
Ein ruhiger Gang, bedacht wär jede Handlung,
Die Krallen nur zum Klettern ausgefahrn.
Die Haltung elegant, ein wenig eitel,
Die Zähne spitz, von glänzend weißem Schein.
Doch leider ist es uns nicht möglich diese
Schöne, feine Katze anzusehn.
Wir können sie uns lediglich vorstellen,
Und hoffen, dass wir nicht danebenliegen –
Niemals wird diese These je bewiesen!
Im Götterreich, wo seinesgleichen einzig
Als luft’ge Nebel durch die Weiten schweben,
Erkennt man ihn an seiner güldnen Farbe,
Die auf Erden seinem Haar entspricht.
Er gibt sich wahrlich keine Blöße
Verrät er seine wahre Größe?
In Menschenform misst er die stattliche Größe
Von sechs Füßen vier (und ein paar Zöllchen mehr)
Ich glaube, er wäre als Katze geschätzte
Ein Fuß und vier Zoll auf der Höhe der Schulter.
Es geht um einiges exakter
Mit zwei, drei Versen zum Charakter!
Ein ruhiges ausgeglichnes Wesen hat er;
Verfällt nicht starken Stimmungsschwankungen.
Er denket lieber nach bevor er handelt,
Denn schöne Poesie entsteht nicht, wenn
Man im Affekt versucht etwas zu reißen;
Es bildeten sich höchstens schöne Scherben,
doch kein Gedicht, das seiner würdig wäre.
Seinesgleichen nennt man überlegte
Oder grüblerische Zeitgenossen.
Er weiß es: In der Ruhe liegt die Kraft.
Es trifft ihn höchstens eine schlimme Schande,
Die er durch sein allseh’ndes Aug’ erblickte:
Die Schändung und Verdrehung einer Form des
Heiligsten der Texte – des Gedichtes.
Und selbst in diesem schlimmen Fall bewahrt
Er seine Ruhe und Besonnenheit;
Verflucht den Schänder in gekonnten Versen
Und legt danach die Sache schnell beseit’.
Im Gegenzug kann er sich über Jahre
An gut gelungnem Vers und Reim erfreun.
Zu jeder Zeit erhellen sie seine Stimmung,
Zaubern Lächeln unter seine Züge
Und ein Quentchen Glanz in seine Augen.
Normalerweis’ ergreift er jedes Mittel
Um Streiterei’n mit andern zu vermeiden
Er ist stets höflich und zuvorkommend,
Hilfsbereit und vieles andre mehr.
Sollt es leider zum Konflikte kommen,
(Und er setzt wirklich alles ans Verhindern)
Versucht er ihn beschwichtigend zu lösen,
Und, falls das nicht hilft, so zieht er Leine;
Lässt zu, dass er das letzte Wort verliert,
Und dass der Gegner sich im Rechte fühlt.
Es bleiben Kleinigkeiten noch zu nennen:
So ist er häufig relativ bequem;
Er geht nicht gerne unnötige Wege
Und bliebt auch nicht gern allzu lange stehn.
Im Stillen ist er auch ein wenig eitel,
Steht gern vor Spiegeln und bewundert sich.
Doch wehe ihm, er ward dabei gesehen,
Dann war das nichts, nur schiere Illusion.
Beim Dichten, wie er sanft die Feder führet,
Das Pergament mit Schrift schwungvoll bedeckt,
Da wirkt er bis hinauf in die Haarspitzen
Entspannt, wie ganz in seiner eignen Welt,
Und merkt es nicht, was in seiner Umgebung
An Blitzen, Tosen, Spannung oder Drücken
Die Ruh’ zu stör’n versucht mit aller Kraft.
Das wüsste gerne jedes Kind:
Wie ist denn dieser Gott gesinnt?
Die Freude an Reimen,
An schönen, an feinen,
Bestimmet sein handeln
Sein Leben, sein Wandeln.
Es kommen zu ihm die
Verschiedensten Bitten.
Er wird sie erhören,
Sowahr sie den Sitten
Des Verses gehorchen -
Soweit unbestritten.
Den Wesen, die Leben,
Kommt er gern entgegen
Solange sie pflegen
Und wahren und hegen
Das schöne der Welt,
Das ihm so gefällt.
Man darf also sagen
Dies göttliches Wesen
Ist gar ohne Zweifel
Ein gutes gewesen.
Gibt’s Details mit uns zu teilen,
Die noch fehl’n in diesen Zeilen?
Von Göttern kennen wir verschiedne Gruppen,
Die sich bekriegen oder unterstützen.
Shirah-el sieht sich leidlich schwach verbunden
Mit Kollegen andrer schönen Künste.
Doch diese Allianzen währen niemals
Annährend so stark wie unter andren.
Man könnte wohl nicht unberechtigt sagen,
Shirah-el sei ein Einzelgänger-Gott.
Dieser Bogen wär nun aus
Doch gibt es darüberhinaus
Von diesem int’ressanten Wesen
Ein Geschichtchen hier zu lesen.